Heute wird spontan das Schumann Quartett auftreten, da das Quatuor Van Kuijk leider sehr kurzfristig absagen musste. Glücklicherweise ist es unserem künstlerischen Leiter Dr. Harald Roth gelungen, in Rekordzeit gleichwertigen Ersatz zu finden. Der Konzertabend wird somit stattfinden, alle Karten behalten ihre Gültigkeit.

Schumann Quartett

Erik Schumann - Violine Ken Schumann - Violine Veit Hertenstein - Viola Mark Schumann - Violoncello

Das Schumann Quartett ist dort angekommen, wo alles möglich ist, weil man auf Sicherheiten verzichtet. Das schließt auch das Publikum mit ein, das sich Abend für Abend auf alles gefasst machen muss: „So wirklich entwickelt sich ein Werk nur live“, sagen sie, „das ist ‚the real thing’, weil wir vorher selbst nie wissen, was passiert. Spätestens auf der Bühne fällt jede Imitation weg, man wird automatisch ehrlich zu sich selbst. Dann kann man in der Musik eine Verbindung mit dem Publikum herstellen, kommunizieren.“ Die Live-Situation wird in naher Zukunft noch weiter aufgeladen: Albrecht Mayer, Menahem Pressler, Kit Armstrong, Anna Vinnitskaya und Anna Lucia Richter zählen zu den aktuellen Partnern der Vier.

Ein besonderes Highlight der Saison 21/22 stellen die vier Konzerte in der Wigmore Hall in London dar, in der das Quartett diese Saison Quartet in Residence ist. Des Weiteren wird das Quartett nach einer Zwangspause wieder in den USA auf Tour gehen. Zu Gast sein wird es bei der Streichquartett Biennale Amsterdam, dem Schleswig-Holstein Musik Festival und dem MDR Musiksommer, sowie in Berlin, Schwetzingen, Frankfurt, Köln und Dortmund. Außerdem wird das Quartett zusammen mit der Mezzosopranistin Anna-Lucia Richter zwei besondere Programme in Madrid und Bilbao darbieten können.

Ihr Album „Intermezzo“ (2018 | Mendelssohn Bartholdy, Schumann und Reimann mit Anna-Lucia Richter) erfreut sich national und international bester Resonanz, und erhielt den Opus Klassik in der Kategorie Kammermusikeinspielung 2019. Somit wird es als würdiger Nachfolger ihres preisgekrönten „Landscapes“ Albums gefeiert, in dem sie den eigenen Wurzeln nachspürten und Werke von Haydn, Bartók, Takemitsu und Pärt kombinierten. Letzteres wurde unter anderem mit 5 Diapasons sowie dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik 2017 ausgezeichnet und war Editor’s choice beim BBC Music Magazine. Für ihr vorhergehendes Album mit Werken von Mozart, Ives und Verdi wurde dem Schumann Quartett bereits als BEST NEWCOMER 2016 der BBC Music Magazine Award in London verliehen. Im Jahr 2020 hat das Quartett seine Diskographie mit „Fragment“ und seiner Auseinandersetzung mit einem der Meister des Streichquartetts erweitert: Franz Schubert.

Seit ihrer frühesten Kindheit spielen die drei Brüder Mark, Erik und Ken Schumann zusammen – mittlerweile vervollständigt Veit Hertenstein als Bratschist das Quartett. Die Vier genießen die nonverbale Kommunikation. Unterschiedliche Persönlichkeiten treten deutlicher hervor, gleichzeitig entsteht in jedem musikalischen Werk ein gemeinsamer Raum, findet eine geistige Metamorphose statt. Vielleicht sind diese Offenheit und Neugierde die entscheidenden Einflüsse von Lehrern wie Eberhard Feltz, dem Alban Berg Quartett oder Partnern wie Menahem Pressler.

Auszeichnungen, Veröffentlichungen – gerne werden Stufen konstruiert um herzuleiten, warum viele das Schumann Quartett heute zu den besten überhaupt zählen. Die Vier fassen solche Daten eher als Begegnungen auf, als Bestätigung für ihren Weg. Sie empfinden die musikalische Entwicklung der letzten zwei Jahre als Quantensprung. „Wir haben Lust darauf, es bis zum Äußersten zu treiben, zu probieren, wie die Spannung und unsere gemeinsame Spontaneität trägt", sagt Ken Schumann. Versuche, ihnen einen Klang, eine Position, eine Spielweise zuzuordnen, hebeln sie charmant aus, lassen allein die Konzerte für sich sprechen. Und Kritiker geben ihnen recht: „Feuer und Energie. Das Schumann Quartett spielt umwerfend gut [...] zweifellos eine der allerbesten Formationen der jetzigen Quartettblüte, [...] blitzende Virtuosität und Überraschungsbereitschaft“ (Harald Eggebrecht in der SZ).



Zitate aus einem Gespräch mit den Redakteuren des Online-Klassikmagazins VAN (van-magazin.de).


Zum Programm

Hugo Wolf, heute fast ausschließlich als Liederkomponist in der Nachfolge Richard Wagners bekannt, hegte auch eine Liebe für Italienisch-Leichtes. So komponierte er 1887 eine ironische Ständchenszene für Streichquartett, genannt „Italienische Serenade“. „Leichtfüßig und delikat“ nannte Frank Walker dieses Kabinettstück in seiner Wolf-Biographie. Nach anfänglichem Stimmen überlassen sich die Spieler dem Perpetuum mobile eines scherzhaften Themas, das in immer neuen Varianten hervorsprudelt. Die Episoden der Rondoform vertiefen den Eindruck, dass es sich um quasi-szenische Musik handele. Im ersten Couplet scheint der Liebhaber sein Ständchen mit einer sentimentalen Note würzen zu wollen; im zweiten erklärt er sich in Form eines Cellorezitativs deutlicher, während die anderen Spieler sich einen gewissen Spott nicht verkneifen können. Dreimal bringt er sein Anliegen vor, dann zeigt ein neues Thema über bewusst monotoner Begleitung, dass sein Gesang nicht vom erhofften Erfolg gekrönt war. So zieht das kleine Ensemble von dannen – vor das Fenster der nächsten Schönen.

Zwischen den sechs großartigen, seinem Freund Haydn verehrungsvoll gewidmeten Streichquartetten KV 387 bis 456 und seinen letzten drei dem cellospielenden Preußen-König Friedrich Wilhelm II dedizierten „Preußischen Streichquartetten“ (KV 575 bis 590) komponierte Wolfgang Amadeus Mozart 1786 ein Quartett in D-Dur KV 499, ein Einzelwerk, das sein Verleger Anton Hoffmeister zusammen mit Haydns op. 42 (ebenfalls ein Einzelwerk) veröffentlichte.
Stärker noch als in den Haydn gewidmeten Quartetten von 1782-85 sind im D-Dur-Quartett alle vier Stimmen gleichberechtigt. Die Melodie wird nicht einer Stimme zugewiesen, sondern erwächst aus einem pastosen, fast dauernd vierstimmigen Streichersatz von extremer Dichte und besonderer Klangschönheit – beinahe wie in Beethovens mittleren Quartetten. Am schönsten ist dies im Adagio zu hören, wo Ober- und Unterstimmen im stetigen paarweisen Austausch eine Art „unendlicher Melodie” entfalten.

Ludwig van Beethovens späte Streichquartette (opp. 127, 130, 131, 132, 133 und 135) sind eine eigene Welt. Der inzwischen gehörlose Komponist gestaltete Werke, die alle Traditionen durchbrachen und die Türen weit öffneten bis hin zur Neuen Musik des 20. Jahrhunderts. Für die Zeitgenossen waren diese Werke weitgehend unverständlich. Ein Pariser Kritiker schrieb nach der Aufführung von op.131 gar von „le dernier effort d'une imagination en delire“, die neueste Leistung einer Einbildungskraft im Delirium! Doch gerade dieses cis-Moll-Quartett ist ein wahres Wunderwerk. Sieben Sätze reihen sich im gesamten Quartett - das Scherzo ausgenommen - zu Paaren: Fuge und Allegro, Rezitativ und Arie (Variationen), Scherzo, langsame Einleitung und Finale. Die einleitende düstere Adagio-Fuge mit typischen Sekundschritten als Schmerzensgesten wie bei Bach und Palestrina lichtet sich im darauf folgenden Allegro molto vivace zu einer singenden Pastorale in D-Dur auf. Auf das instrumentale Rezitativ (3. Satz) folgt ein wunderbar gelöstes A-Dur-Andante mit sieben Variationen. Das Scherzo ist ein geisterhaftes, 500 Takte langes Dahineilen in Staccato-Achteln. Das cis-Moll-Finale mit seinem energiegeladenen, fast ruppigen Hauptthema wird eingeleitet von einem bewegenden gis-Moll-Adagio, in dem oft die Bratsche die melodische Führung übernimmt.

Dr. Harald Roth

Karten sind ausreichend an der Abendkasse verfügbar, da NT-Ticket den Vorverkauf aus Personalmangel vorzeitig eingestellt hat.

BR-Klassik wird dieses Konzert aufzeichnen und am 18.10.2022 um 20:05 Uhr senden.
Fr 20.05.2022 20.00 Uhr

Schumann Quartett Streichquartett

  • Hugo Wolf
    „Italienische Serenade für Streichquartett“
  • Wolfgang Amadeus Mozart
    Streichquartett in D-Dur KV 499 "Hoffmeister"
  • Ludwig van Beethoven
    Streichquartett cis-Moll op. 131

Tickets sind hier erhältlich

BR-Klassik wird dieses Konzert aufzeichnen

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