Vier Musiker aus verschiedenen Ländern (der Bratscher stammt aus Regensburg) haben sich in London zum Barbican Quartet zusammengefunden. Bereits zweimal konnten wir dieses Quartett im Vorfeld erleben. Besonders die vitale Gestaltung, das „sprechende“ Musizieren und die feinst austarierte dynamische Abstufung mit atemberaubendem Pianissimo-Spiel hat uns überzeugt. Eine der größten Autoritäten des Quartettspiels unserer Zeit, Günter Pichler, der ehemalige Primarius des einst führenden Alban Berg Quartetts, ist der spiritus rector dieses jungen Ensembles. Im September 2022 hat sich das Quartett beim internationalen ARD-Wettbewerb, ohne Zweifel der bedeutendste Wettbewerb weltweit, einen sensationellen ersten Platz erspielt.

Am 21.10.2022 eröffnet das Barbican Quartet unsere neue Saison mit dem Streichquartett op. 20/2 von Joseph Haydn, eines der spannendsten seiner 68 Quartette. Nach einem gesanglichen 1. Satz, an dem bereits alle vier Instrumente gleichermaßen beteiligt sind, folgt als Adagio ein “Capriccio” im pathetischen c-Moll, in dem sich Unisonopassagen und Rezitativgesten zu einem “Recitativo accompagnato” voller Opernpathos entwickeln, das später einem Arioso mit frei schwebenden Violinsoli Platz macht. In Menuett und Trio wiederholt sich der Hell-Dunkel-Kontrast der ersten beiden Sätze, während das Finale eine veritable Fuge mit vier (!) verschiedenen Themen ist. Béla Bartók (1881-1945) hat 6 Streichquartette geschrieben. Diese Gattung begleitete den Komponisten durch alle wesentlichen Schaffensphasen. Herb und intensiv ist jedes dieser Werke von bis aufs Äußerste zugespitzter Dramatik: ein Prüfstein für jedes Quartett. Das Vierte von 1928 gilt im Gegensatz zu den „kompromisslosen“ Quartetten Nr. 3 und Nr. 5 als „fast entspannt... und unkompliziert im Ausdruck“ (L. Finscher). Erstmals verwendet Bartók die „Brückenform“. Von den 5 Sätzen entsprechen sich die Sätze 1 und 5 sowie 2 und 4. Der langsame Mittelsatz ist das musikalische Zentrum des Werks.

Im zweiten Teil dürfen wir das 2. Quartett (e-Moll) aus der Serie der drei „Rasumowsky – Quartette“ op. 59 in der Interpretation der Barbicans erleben. „...tief gedacht und trefflich gearbeitet, aber nicht allgemeinfasslich...“ war das zeitgenössische Urteil. Der Kopfsatz mit seiner riesigen Durchführung ist von schier symphonischer Dimension, der zweite Satz ist ein fünfteiliges Scherzo mit zwei Trios, das rasante Finale verzichtet auf formelhaften Rondo-Aufbau. Im Zentrum steht der 3. Satz, ein bewegendes Molto adagio in E-Dur von quasi sakralem Ausdruck. Als Huldigung an den Auftraggeber, Graf Rasumowsky, ist in das Scherzo eine russische Melodie eingearbeitet.

Dr. Harald Roth
Fr 21.10.2022 20.00 Uhr

Barbican Quartet Streichquartett

  • Josef Haydn
    Streichquartett C-Dur op 20/2
  • Béla Bartók
    4. Streichquartett
  • Ludwig van Beethoven
    Streichquartett e-Moll op 59/2 "Rasumowsky"

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