Not lehrt Einfachheit. Dies erfuhr Igor Strawinsky in den Kriegsjahren 1917/18, als er am Genfer See einige Monate verbrachte, die „zu den schwersten gehören, die ich durchgemacht habe“. Die russische Revolution zerriss die Verbindung zur Heimat. Viele Theater hatten schließen müssen. Selbsthilfe war geboten: eine Wanderbühne, die auf gut Glück durchs Land zieht und mit einem Minimum an Mitwirkenden ein Spiel mit Musik aufführt, welches gelesen, gespielt und getanzt wird. Gemeinsam mit dem Dichter Charles Ferdinand Ramuz und dem Dirigenten Ernest Ansermet fasste Strawinsky diesen Plan. Es entstand L´Histoire du Soldat, uraufgeführt 1918 in Lausanne – ohne den erhofften Erfolg.

Das Sujet, ein russische Märchen, hatte Strawinsky nach Art russischer Jahrmarktsspiele konzipiert. In dieser „Schaubuden-Komödie“ begnügt sich der Komponist mit einem skurrilen Ensemble, bestehend aus Violine, Kontrabass, Trompete, Klarinette, Fagott, Posaune und Schlagzeug, das die einzelnen musikalischen Formen, von zeitgenössischen Modetänzen über Jazz bis zum Choral in geistvoller Weise karikiert.

Einem Soldaten auf Wanderschaft lauert der Teufel auf, spielt mit ihm Katz und Maus, lässt ihn reich und wieder arm und sogar zum Geliebten der Prinzessin werden. Als der Soldat am Ende dennoch seinem Heimweh nachgibt und gegen den Bannspruch des Teufels verstößt, holt ihn der Teufel doch. Es ist ein bitteres Märchen ohne versöhnlichen oder gar erlösenden Schluss.Zentrale Gestalt ist der Erzähler: Er kündigt die Geschichte an, er liest sie vor, er spielt mit und er fordert schließlich sogar den Soldaten auf, sich gegen den Teufel mit List zu wehren. Seine Rolle spannt sich von der teilnahmslosen Ankündigung über den nüchternen Bericht bis hin zum Eingreifen in die Handlung. Dass für diese tragende Rolle der unvergleichliche Schauspieler Dominique Horwitz gewonnen werden konnte, unterstreicht den Rang dieses besonderen Abends.

Aus einem Sommerurlaub in der Schweiz berichtete Paul Hindemith am 21.6.1938 an den Schott-Verlag von der Fertigstellung seines Klarinettenquartetts. Der fröhlich unbekümmerte Urlaubsbericht Hindemiths erstaunt. Schließlich hatte dieser in den Zwanziger Jahren gefeierte Vertreter der jungen deutschen Komponisten einige Monate zuvor seine Professur an der Berliner Musikhochschule aus politischen Gründen aufgegeben und war im deutschen Musikleben durch Goebbels selbst soweit ins Abseits gedrängt worden, dass sich auch seine Freunde nicht mehr trauten, Hindemiths Kompositionen aufzuführen.

Das Klarinettenquartett hatte Hindemith schon vor der Fertigstellung dem Schott-Verlag angepriesen. Offensichtlich war das Werk gezielt für eine Konzertreise in die USA im Jahre 1939 geschrieben worden, auf der Hindemith nähere Kontakte mit amerikanischen Musikorganisationen und Universitäten suchte. Bei einem „All Hindemith Concert“ am 23. April 1939 kam es in der Town Hall in New York zur Uraufführung. Von den Proben berichtet der Komponist seiner Frau: „Das Klarinettenquartett macht sich sehr gut. Es ist ein ziemlicher Brocken Musik, klingt schön und dürfte einen guten Eindruck hinterlassen“.

Erwin Schulhoff (1894 in Prag geboren, 1942 im Konzentrationslager Wülzburg gestorben) wurde früh von Antonin Dvorak gefördert. Kompositionsschüler war er u.a. bei Max Reger. In den „Roaring Twenties“  interessierte er sich besonders für Jazz. 1921 schrieb er seine Suite für Kammerorchester. Nach einem drastischen, fast obszönen Prolog über seine Inspirationsquellen „... Sekt und Weib ...“ erklingen raffinierte Tänze wie Ragtime, Valse Boston, Tango, Shimmy, Step und Jazz. Andreas Tarkmann hat diese frechen Stücke für die Besetzung der Geschichte vom Soldaten bearbeitet. In dieser disparaten Instrumentierung wird die Drastik dieser Tänze noch auf die Spitze getrieben.

Dr. Harald Roth

 

NT Ticket

Fr 13.04.2018 20.00 Uhr

Arte Ensemble, Dominique Horwitz

Albert Sommer Kontrabass

Guido Schäfer Klarinette

Matthias Höfs Trompete

Andreas Boettger Schlagzeug

Dominique Horwitz Erzähler

Ute Sommer Violoncello

Markus Becker Klavier

Kathrin Rabus Violine

Malte Refardt Fagott

Emil Haderer Posaune

  • Erwin Schulhoff
    Suite für Kammerorchester
  • Paul Hindemith
    Quartett für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier
  • Igor Strawinsky
    Die Geschichte vom Soldaten

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